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11.01.2016

Kultusministerium präsentiert weitere Planung zur schulischen Integration junger Flüchtlinge

Nach dem quantitativen Ausbau steht zunehmend die Weiterentwicklung der Qualität der Angebote im Fokus
 
Kultusminister Stoch: „Wir haben die organisatorischen Voraussetzungen geschaffen, dass die jungen Flüchtlinge gut in unseren Schulen ankommen können. Jetzt gilt es, die einzelnen Bildungs- und Unterstützungsangebote noch besser auf die Bedürfnisse der verschiedenen Zielgruppen zuzuschneiden und Qualitätsaspekte noch stärker in den Blick zu nehmen.“

Die Landesregierung hat im Bildungsbereich erhebliche zusätzliche Ressourcen bereitgestellt, um die große Anzahl junger Menschen, die in Baden-Württemberg Schutz vor Gewalt und Verfolgung suchen, gut an den Schulen aufnehmen zu können. Bei der weiteren Planung stehen nun verstärkt die Weiterentwicklung der Qualität sowie zusätzliche Maßnahmen im Mittelpunkt, mit denen die jungen Flüchtlinge und ihre Familien - aber auch die Lehrerinnen und Lehrer an den Schulen - noch besser bei dieser Herausforderung unterstützt werden können.

„Unser Ziel ist, diesen jungen Menschen an unseren Schulen möglichst passgenaue Angebote zu machen, um sie schnell in eine Regelklasse integrieren zu können. Dafür gehen wir künftig verstärkt auch auf die Eltern zu, die wir informieren und als Partner gewinnen möchten. Und wir setzen noch spezifischer direkt bei den Kindern und Jugendlichen an“, so Kultusminister Andreas Stoch.

Elternbrief
Mit einem Brief des Kultusministers in Englisch, Französisch, Persisch und Arabisch erhalten Eltern seit Kurzem grundlegende Informationen, ab wann ihre Kinder in Baden-Württemberg zur Schule gehen können bzw. müssen. „Der Brief soll Unsicherheiten abbauen und dazu beitragen, dass die Eltern sich rasch in der neuen Umgebung orientieren und dass ihre Kinder schnell einen Zugang zu unseren Bildungsangeboten finden können“, sagte Kultusminister Stoch. „Viele der Kinder und Jugendlichen freuen sich darauf, eine Schule besuchen zu dürfen“, so Stoch weiter.

Bildungsbiografische Ersterfassung (BBE)
Nach Ankunft in Baden-Württemberg erfolgt die Bildungsbiografische Ersterfassung. Neben persönlichen Angaben zu den Kindern und Jugendlichen werden dabei beispielsweise Kenntnisse im Lesen und Schreiben (Alphabetisierung), zur Muttersprache und weiteren Sprachen sowie zur Dauer des bisherigen Schulbesuchs im Herkunftsland erfasst. „In Zukunft können die Schulen schon vor Eintreffen der Flüchtlingskinder erfahren, welche Bildungsbiografie diese aus ihren Herkunftsländern mitbringen“, sagte Kultusstaatssekretärin Marion v. Wartenberg.

Anhand dieser Informationen werden Schulverwaltung und Schulen entscheiden, an welcher konkreten Schule und in welcher Vorbereitungsklasse (VKL) bzw. VABO-Klasse ein junger Flüchtling seinen Bildungsweg in Baden-Württemberg fortsetzen kann. VABO steht dabei für „Vorqualifizierungsjahr Arbeit/Beruf mit Schwerpunkt Erwerb von Deutschkenntnissen“. Schulleiterinnen und Schulleiter werden diese Informationen aus einer elektronischen Datenbank entnehmen und nutzen können. „Wir müssen hier differenziert steuern, weil die Voraussetzungen, die die jungen Flüchtlinge mitbringen, sehr heterogen sind“, erläuterte Staatssekretärin v. Wartenberg. „So sorgen wir dafür, dass die Kinder und Jugendlichen möglichst schnell an ihre bisherige Bildungsbiografie anschließen können“, so v. Wartenberg weiter.

Die BBE soll im Laufe des Januar 2016 im Registrierungszentrum Heidelberg im Regelbetrieb starten; erprobt wurde sie bereits seit Mitte November 2015 in der Landeserstaufnahmeeinrichtung Meßstetten. Der Probelauf hat gezeigt, dass die gewählte Art der Erfassung eine pragmatische und erfolgversprechende Methode ist. „Hervorheben möchte ich das große Interesse der Eltern von Kindern im Alter von 5 bis 14 Jahren, den Fragebogen auszufüllen. Das verdeutlicht den hohen Stellenwert, den diese Menschen der Bildung beimessen“, betonte Staatssekretärin v. Wartenberg.

Potenzialanalyse für Flüchtlinge
Nachdem die jungen Flüchtlinge in einer Vorbereitungs- oder VABO-Klasse aufgenommen wurden, soll eine vom Kultusministerium neu konzipierte „Potenzialanalyse für Flüchtlinge“ künftig dazu beitragen, dass der Übergang in eine Regelklasse durch gezielte individuelle Förderung auf der Grundlage validierter und fundierter Tests möglichst schnell und reibungsfrei gelingt. Bei der Potenzialanalyse werden einerseits sprachliche und mathematische Fähigkeiten, andererseits überfachliche Kompetenzen erfasst. Die Potenzialanalyse erfolgt in verschiedenen Bausteinen, die Ergebnisse sollen laufend für die individuelle Förderung der Schülerinnen und Schüler genutzt werden. Der Start ist für Mitte Februar vorgesehen.

„Mit der neuen Potenzialanalyse für Flüchtlinge ist Baden-Württemberg Pionier auf diesem Gebiet. Ich freue mich, dass der Bund uns dabei finanziell unterstützt“, erklärte Kultusminister Andreas Stoch. Für die Umsetzung stellt das Bundesministerium für Bildung und Forschung dem Land Mittel in Höhe von zwei Millionen Euro für den Zeitraum 2016 bis 2018 bereit.

Fortbildungsangebote für Lehrerinnen und Lehrer
Der Erfolg der schulischen Integration junger Flüchtlinge hängt vor allem von der guten Arbeit der Lehrerinnen und Lehrer ab. Deshalb werden die Pädagoginnen und Pädagogen in hohem Maße durch Fortbildungen in verschiedenen Bereichen unterstützt. „Auch hier haben wir die nötigen Schritte eingeleitet“, so der Kultusminister.

Seit 2011 sind im Sprachförderbereich insgesamt 160 Lehrerinnen und Lehrer als Multiplikatoren ausgebildet worden, die entsprechende Fortbildungen für andere Lehrerinnen und Lehrer anbieten und organisieren. Für 2016 ist die Qualifizierung von 60 weiteren Multiplikatoren mit den inhaltlichen Schwerpunkten Sprachförderung und aktuelle Herausforderungen der Flüchtlingsthematik geplant. Diese bieten ab Herbst 2016 zusätzlich regionale Fortbildungen für Lehrkräfte im allgemein bildenden und beruflichen Bereich an und beraten Schulen.

Für den Einsatz in VKL und VABO-Klassen wurden 2014 insgesamt rund 140 Fortbildungen durchgeführt, an denen über 1.400 Lehrerinnen und Lehrer teilgenommen haben. Bis zum 31. Juli 2015 wurden weitere 100 Veranstaltungen mit über 1.000 Teilnehmenden realisiert.

Angehende Lehrerinnen und Lehrer haben auch im Rahmen ihrer Ausbildung die Möglichkeit, Zusatzqualifikationen für einen künftigen Einsatz in VKL und VABO- Klassen zu erwerben. Hierbei geht es auch um die Erweiterung der interkulturellen Kompetenz der künftigen Lehrerinnen und Lehrer.

Weitere Unterstützungsangebote für Pädagogen
Neben der pädagogischen Aufgabe bringt der Umgang mit Flüchtlingskindern für Lehrerinnen und Lehrer auch weitere Herausforderungen mit sich.

„Es ist klar, dass Lehrerinnen und Lehrer traumatisierte Kinder nicht therapieren können. Ihre Aufgabe ist es vielmehr, sensibel mit den Kindern umzugehen, ihrem Alltag eine Struktur zu geben und gegebenenfalls den Kontakt zu einer professionellen Unterstützung herzustellen“, so v. Wartenberg. Um die Lehrerinnen und Lehrer auf diese zusätzliche Herausforderung vorzubereiten, hat das Kultusministerium verschiedene Maßnahmen entwickelt. Beispielsweise haben die Schulpsychologischen Beratungsstellen ihre Angebote in diesem Bereich ausgebaut.

Für Lehrerinnen und Lehrer aller Schularten werden von den Schulpsychologischen Beratungsstellen verstärkt die Fortbildung „Flüchtlinge in der Schule - Umgang mit belasteten Kindern und Jugendlichen“ und themenspezifische Supervisionsgruppen für VKL- und VABO-Lehrkräfte angeboten. Zum Umgang mit traumatisierten Schulkindern standen im Schuljahr 2014/2015 Fortbildungs- und Supervisions-angebote mit ca. 1.200 Plätzen zur Verfügung. Im Schuljahr 2015/2016 sind dies ca. 2.050 Plätze. Die Fortbildungs- und Supervisionsangebote sollen bei entsprechen-dem Bedarf weiter ausgebaut werden.

Grundlegende Informationen zu dieser Thematik bietet außerdem eine aktuelle Broschüre zum Umgang mit Flüchtlingskindern in der Schule, die auch aus anderen Bundesländern nachgefragt wird. Die erste Auflage mit 35.000 Exemplaren war bereits nach wenigen Monaten vergriffen. Ende 2015 wurden weitere 10.000 Exemplare aufgelegt.

Die Landesregierung unterstützt verstärkt auch Erzieherinnen und Erzieher bei der Integration der Flüchtlingskinder. Im Zweiten Nachtragshaushalt wurden 500.000 Euro für Supervisions- und Coaching-Kurse ab dem Jahr 2016 bereitgestellt. Es wird von rund 250 Gruppen mit jeweils zehn bis zwölf Erzieherinnen und Erziehern ausgegangen, die pro Gruppe mit rund 2.000 Euro bezuschusst werden. Zurzeit läuft bereits ein Pilotprojekt mit zwei Kursen, deren Ergebnisse ausgewertet und für weitere Verbesserungen genutzt werden sollen. „Zusätzlich unterstützen wir die Fachkräfte mit einer Vielzahl weiterer Informationsangebote“, so v. Wartenberg.

Entlastung von Schulleitungen
Der Anstieg der Schülerzahlen in VKL und VABO-Klassen verursacht über das ganze Schuljahr unter anderem bei den Schulen und den geschäftsführenden Schulleiterinnen und Schulleitern einen erheblichen zusätzlichen Aufwand. Deshalb wird bei den Schulaufsichts-behörden ein Stundenpool von insgesamt 50 Deputaten eingerichtet, um die besonderen Belastungen bei den allgemein bildenden und beruflichen Schulen mit vielen jungen Flüchtlingen flexibel abfedern zu können.

Ressourcen und Personal
Seit Beginn des Schuljahrs 2014/2015 wurden zusätzliche Personalressourcen im Umfang von 1.162 Deputaten geschaffen, ca. 2.160 VKL bzw. VABO-Klassen sind derzeit im allgemein bildenden und beruflichen Schulbereich eingerichtet. Rund 30.000 junge Menschen lernen in diesen Klassen. Auch nach Wechsel in eine Regelklasse können - zum Beispiel im Rahmen des Ergänzungsbereichs oder des sog. HSL-Bereichs (Hausaufgaben-, Sprach- und Lernhilfe) - zusätzliche Angebote zur Sprachförderung gemacht werden.  Im vorschulischen Bereich wurden - etwa für die Sprachförderung - für 2015 und 2016 insgesamt 4,8 Millionen Euro zusätzlich bereitgestellt. Im Zweiten Nachtragshaushalt kamen für 2016 weitere drei Millionen Euro hinzu. Für den weiteren Ausbau der Fortbildungsangebote hat die Landesregierung im Zweiten Nachtrag zum Staatshaushaltsplan 2015/2016 zusätzlich 340.000 Euro sowie rund zehn Deputate bereitgestellt.

„Alle Steuerungsaufgaben koordinieren wir in einer eigens eingerichteten wöchentlichen Task Force, die tagt und in der alle betroffenen Bereiche vertreten sind“, sagte Ministerialdirektor Manfred Stehle.

Bislang ist es gelungen, alle Stellen zeitnah zu besetzen. Um auch für die weitere Entwicklung gut gerüstet zu sein, hat der Kultusminister Ende 2015 insgesamt 30.000 pensionierte Lehrerinnen und Lehrer angeschrieben und um Unterstützung gebeten. Von diesen haben bislang 515 ihre Bereitschaft erklärt, befristet - im Durchschnitt im Umfang von 6,8 Wochenstunden - wieder im Schuldienst tätig zu werden. Durch die Schulverwaltung bereits abgeschlossen wurden 65 Verträge.

„Ich bin diesen Kolleginnen und Kollegen außerordentlich dankbar, dass sie sich für diese wichtige Aufgabe zur Verfügung stellen. Wir arbeiten auch an weiteren Maßnahmen, so beispielsweise an der gezielten Ansprache von angehenden Lehrerinnen und Lehrern zwischen dem Ersten Staatsexamen und Beginn ihres Vorbereitungsdienstes“, sagte Stoch.

Aktuelle Zahlen zu öffentlichen VKL und VABO Klassen im Vergleich mit der Statistik 2014/15



 Schulart

Schüler

(1.12.2015)
gerundet



Schüler

SJ* 2014/15

(15.10.2014)

Klassen

(1.12.2015)

gerundet



Klassen

SJ* 2014/15
(15.10.2014)

1. Allgemein bildender Bereich

23.900

16.150

1.790

1.165

    davon:

 

 

 

 

1.1. Primarbereich

14.100

10.566

1.080

780

1.2. Sekundarbereich

9.800

5.584

710

385

2. Berufliche Schulen im Bereich des KM

5.800

1.639

370

108

Gesamt

29.700

17.789

2.160

1.273

*SJ = Schuljahr

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