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28.06.2017

Qualitätskonzept für das Bildungssystem Baden-Württembergs

Kultusministerin Dr. Susanne Eisenmann: „Wir müssen jetzt Weichenstellungen vornehmen, um die Schulqualität gezielt zu verbessern.“

Kultusministerin Dr. Susanne Eisenmann hat heute (28. Juni) konkrete Überlegungen vorgestellt, wie die Leistungsfähigkeit und Qualität des Schulsystems auf lange Sicht verbessert werden können. „Schulpraktiker und Experten aus der Bildungsforschung haben einhellig kritisiert, dass es bislang kein abgestimmtes und professionelles Bildungsmonitoring und keine datengestützte Schulentwicklung in Baden-Württemberg gibt. Mit unserem Qualitätskonzept wollen wir erreichen, dass sich die Unterrichtspraxis künftig am aktuellen Stand der Wissenschaft und auf der Grundlage abgesicherter Erkenntnisse ausrichtet“, so die Ministerin. Ziel sei, dass Schulen und Schulaufsicht besser und transparent anhand von Daten wie beispielsweise den Ergebnissen von Vergleichsarbeiten, den Auswertungen der amtlichen Schulstatistik sowie unter Berücksichtigung des sozioökonomischen Umfelds auf Probleme an Schulen reagieren können. Außerdem sollen Programme und Maßnahmen sowie Unterstützungsleistungen wie Fortbildungen und Unterrichtsmaterialien vor ihrem Einsatz auf ihre Wirksamkeit überprüft werden. Als weitere Schwachstelle des baden-württembergischen Bildungssystems werden die starke Zersplitterung der Verantwortlichkeiten und die unzureichende Qualität der Lehrerfortbildung benannt. Hier werde es, so Eisenmann, künftig klarere konzeptionelle Vorgaben und Strukturen geben.

Bildungsmonitoring – Analysen – Lehrerbildung

Damit sich die Bereiche Bildungsmonitoring, Analysen, Lehrerbildung sowie Unterstützung und Beratung einheitlich in das Gesamtkonzept einfügen, plant das Kultusministerium, bis zum Jahr 2019 zwei neue Institutionen einzurichten: ein „Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung“ sowie ein „Institut für Bildungsanalysen“. Beide Institute sollen eng verzahnt miteinander arbeiten und von einem wissenschaftlichen Beirat begleitet werden. „Die geplanten Änderungen werden natürlich nicht sofort zu besseren Schülerleistungen führen. Entscheidend ist jedoch, jetzt die richtigen Weichenstellungen vorzunehmen“, so die Ministerin.

Das Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung soll die Schulen durch Beratung mit Fokus auf der Unterrichtsqualität sowie durch die Erarbeitung und Bereitstellung von Unterrichtsmaterialien bei der Schulentwicklung unterstützen. Ein weiterer Schwerpunkt des Zentrums sind Lehrerfortbildungen, die sich am aktuellen Stand der Wissenschaft orientieren sollen. Alle vorhandenen Angebote sollen unter einem Dach gebündelt, überprüft, weiterentwickelt und in die Fläche getragen werden. Außerdem soll die Zuständigkeit für die Staatlichen Seminare für Didaktik und Lehrerbildung, an denen Lehrkräfte im Referendariat ausgebildet werden, auf das neue Zentrum übergehen. Damit soll die Lehreraus- und -fortbildung systematisch miteinander verknüpft und damit gestärkt werden. „Die derzeitigen Strukturen bei der Lehrerfortbildung in Baden-Württemberg gleichen einem Wildwuchs. Es ist deshalb dringend geboten, hier ein übersichtliches und auf Unterrichtsqualität ausgerichtetes Unterstützungssystem zu schaffen, wie es andere Länder bereits entwickelt haben“, sagt Eisenmann.

Kernaufgabe des Instituts für Bildungsanalysen ist der Aufbau eines strategischen Bildungsmonitorings. Dieses soll eine datengestützte Qualitätsentwicklung auf allen Ebenen des Bildungssystems vom Kultusministerium bis hin zu den Schulen unterstützen. Vordringliches Ziel ist eine systematische, wissenschaftlich basierte Beobachtung und Dokumentation von Bildungsprozessen und -ergebnissen, um Ansatzpunkte für Verbesserungen identifizieren zu können. Anhand vorhandener Daten wie beispielsweise den Ergebnissen von Vergleichsarbeiten, den Auswertungen der amtlichen Schulstatistik sowie sozioökonomischer Daten soll damit künftig zielgerichtet auf Probleme reagiert werden können. Zugleich sollen empirisch belegte Erkenntnisse als Steuerungswissen für Politik und Praxis nutzbar gemacht werden, um eine langfristig wirksame Schul- und Unterrichtsentwicklung zu unterstützen. „Messung, Diagnose, Empfehlungen, so lassen sich die zentralen Aufgaben zusammenfassen. Wir brauchen ein verbindliches Überprüfungssystem, um die Schulen dabei zu unterstützen, Probleme zu erkennen und zu beheben“, stellt die Ministerin fest. Das neue Institut wird auch dafür zuständig sein, Programme und Maßnahmen auf ihre Wirksamkeit hin zu überprüfen und konkrete Optimierungshinweise zu geben, bevor diese in die Fläche gehen.

Verzahnung der beiden Institute

Die Aufgaben der beiden neuen Institute bauen aufeinander auf, entsprechend eng sollen sie zusammenarbeiten. „Vereinfacht lässt sich das so beschreiben: Das Institut für Bildungsanalysen liefert die wissenschaftlichen Erkenntnisse und Grundlagen, die das Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung anschließend nutzt, um daraus entsprechende Unterstützungsangebote wie Fortbildungen und Handreichungen zu entwickeln“, erläutert die Ministerin.

Strukturelle Änderungen und neue Aufgaben

Die Aufgaben der bisherigen Landesakademie für Fortbildung und Personalentwicklung an Schulen werden vollständig auf das neue Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung übergehen. Für die Schulverwaltung bedeutet das: Insgesamt werden die Regierungspräsidien und Staatlichen Schulämter von Fortbildungsaufgaben entlastet, um sich auf originär schulaufsichtliche Aufgaben und die Steuerung der Unterrichtsversorgung konzentrieren zu können.

Auch das Landesinstitut für Schulentwicklung (LS) soll in seiner bisherigen Form aufgelöst werden. Die derzeitigen Qualitätssicherungsaufgaben des LS wie etwa die empirische Bildungsforschung, Bildungsberichterstattung, Lernstandserhebungen oder Kompetenzmessungen werden im neuen Institut für Bildungsanalysen verortet und qualitativ weiterentwickelt. Die übrigen Aufgaben wie zum Beispiel die Bildungsplanarbeit oder die Entwicklung von Unterrichtsmaterialien und Handreichungen gehen auf das neue Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung über und werden gleichfalls weiterentwickelt.

Breit angelegter Diskussionsprozess im Vorfeld

Die vorgestellten Planungen sind das Ergebnis einer Vielzahl von Gesprächen, die Ministerin Eisenmann im Kontext der Veröffentlichung des IQB-Bildungstrends mit Schulpraktikern, Bildungsforschern, Experten aus anderen Bundesländern, Verbänden, Vertretern der Kultusverwaltung und Beratungsgremien geführt hat – sowie zahlreicher öffentlicher und interner Veranstaltungen mit dem Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen sowie Experten aus Baden-Württemberg und anderen Ländern. Auch die Schulen des Landes waren in diesen Prozess eingebunden. „Wir setzen uns seit Monaten intensiv mit allen unseren Partnern im Bildungswesen auseinander, um gemeinsam nach Lösungen dafür zu suchen, wie wir die Qualität unseres Schulsystems verbessern können. Ein klares Ergebnis aller Gespräche ist: Wir müssen in Baden-Württemberg an der Unterrichtsqualität und an der Lehrerbildung ansetzen“, sagt Eisenmann. Auch die Lehrerbefragung zur Fortbildung, die das Kultusministerium unlängst durchgeführt hat, bestätigt diese Einschätzung. Die Mehrheit (82 Prozent) der circa 13.340 Lehrerinnen und Lehrer, die sich beteiligt haben, interessieren sich primär für Fortbildungen im Bereich der Fachwissenschaft sowie der fachdidaktischen Umsetzung. 72 Prozent wünschen sich einen stärkeren Bezug zwischen Fortbildungsinhalten und dem Einsatz im Unterricht. „Dieses Stimmungsbild zeigt, dass wir unsere Fortbildungen gezielt auf die Fachlichkeit und die qualitative Stärkung des Unterrichts ausrichten müssen“, sagt Eisenmann.

Fokus wieder auf Qualität und Leistung

Die benannten strukturellen Änderungen sind eingebettet in eine umfassende Qualitätsstrategie mit dem zentralen Ziel, mehr Verlässlichkeit ins Schulsystem zu bringen und den Fokus wieder auf Qualität und auf Leistung zu lenken. „Dieses Ziel verfolgen wir konsequent und nehmen dabei alle Schularten in den Blick, angefangen bei den Grundschulen. Die Grundschulen erhalten seit diesem Schuljahr je eine zusätzliche Stunde für Deutsch und für Mathematik. Ab Herbst kommt in zwei Schritten jeweils eine weitere zusätzliche Stunde hinzu. Auch der Vorschlag der Ministerin, die Fremdsprachen in der Grundschule erst ab Klasse 3 beginnen zu lassen, verfolgt konsequent diese Zielrichtung: Die dadurch freiwerdenden circa 630 Stellen sollen als Poolstunden zur weiteren Stärkung von Lesen, Schreiben und Rechnen in den Grundschulen belassen werden. Hier arbeitet das Kultusministerium an einem Konzept zur Verteilung dieser Poolstunden. „Die aktuellen Befunde von VERA 3 bestärken uns erneut darin, dass wir die Rechtschreibkompetenzen in den Grundschulen viel stärker in den Fokus rücken müssen“, sagt Eisenmann. Die Ergebnisse, die den Grundschulen seit dem 21. Juni vorliegen, zeigen insbesondere bei Deutsch-Rechtschreibung auffällige Befunde: Mehr als ein Drittel der Schüler verfehlt in Klassenstufe 3 den Mindeststandard; knapp ein weiteres Drittel erreicht gerade den Mindeststandard für die Primarstufe.

Auch das Konzept zur Stärkung der Realschulen verfolgt das Qualitätsziel: Die Realschule mit ihrer stark heterogen zusammengesetzten Schülerschaft benötigt Stunden zur Förderung und Differenzierung leistungsstarker sowie leistungsschwacher Schüler. Die zusätzlichen Poolstunden geben den Realschulen deutlich mehr Möglichkeiten, die Schüler leistungsdifferenziert zu fördern und erfolgreich zum Real- bzw. zum Hauptschulabschluss zu führen. Die vorgesehene Reform der Oberstufe an den Gymnasien ist ebenfalls ein Beitrag, die Qualität des Schulsystems zu verbessern. Durch zusätzliche Möglichkeiten der Profilbildung sollen die Schüler mehr Akzente für die Vertiefung ihres Wissens setzen können, was der Studierfähigkeit und der beruflichen Orientierung zugutekommt.

Ministerin Eisenmann kündigt Zentrale Klassenarbeiten an

Als weitere Maßnahme kündigt Ministerin Eisenmann an, wieder Zentrale Klassenarbeiten in allen Schularten (Primar- und Sekundarstufe I) ergänzend zu den Vergleichsarbeiten VERA einzuführen. Dies sind Klassenarbeiten, die landesweit einheitlich von jedem Schüler zu festgesetzten Zeitpunkten geschrieben werden müssen. „Wir müssen regelmäßig und flächendeckend überprüfen können, wo jede einzelne Schule und jeder einzelne Schüler stehen. Transparenz bei den Schülerleistungen ist wichtig, um die Schulen mit passgenauen Maßnahmen in Fortbildung und Beratung unterstützen zu können und die Schüler bestmöglich auf die Abschlüsse vorzubereiten“, so Eisenmann.

Weitere Informationen

Zeitplan
Die beiden neuen Institute sollen zum 1. Januar 2019 eingerichtet sein. Detailfragen und weitere Schritte zur Umsetzung und Ausgestaltung der neuen Institute sollen in einer Lenkungsgruppe sowie in themenbezogenen Projektgruppen geklärt werden. Dieser Prozess wird in den kommenden Monaten unter enger Mitwirkung von Experten aus Schulpraxis und Schulverwaltung gestaltet und begleitet durch einen wissenschaftlichen Beirat. In einem ersten Schritt werden voraussichtlich bis Ende 2017 die Zielstrukturen ausgearbeitet. Dazu gehört etwa die Zuordnung und Abgrenzung der Aufgaben der Institutionen. Im ersten Halbjahr 2018 soll nach derzeitigem Stand die Umsetzungsplanung abgeschlossen sein. Hierzu gehören unter anderem die Ausarbeitung des rechtlichen Rahmens, die Finanzplanung, die Stellenstruktur sowie die Raum- und Ausstattungsplanungen. Im zweiten Halbjahr 2018 steht die konkrete Umsetzung auf der Tagesordnung. Hier geht es beispielsweise um den rechtlichen Rahmen, die Überführung in die neuen Strukturen sowie die Stellenbesetzungen.

Aufgaben neue Institutionen

Vergleich Strukturen SH und HH


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