Wie bedeutend Bildung in der frühen Kindheit ist, das zeigen die Ergebnisse der Bildungsforschung unisono. „Je früher
und intensiver Kinder gefördert werden, desto besser gelingt ihnen der Übergang in die Grundschule und später in die
weiterführende Schule. Eine qualitativ hochwertige Förderung ist das Fundament für ein späteres erfolgreiches Lernen in
der Schule. Mit dem Pakt für gute Bildung und Betreuung wollen wir die Qualität der frühkindlichen Bildung konsequent
weiterentwickeln, um allen Kindern, unabhängig von ihrem familiären Kontext, gute Startchancen zu ermöglichen“, sagt
Kultusministerin Dr. Susanne Eisenmann. Die Ziele des Pakts knüpfen damit nahtlos an das Qualitätskonzept für das
Schulsystem an. „Wenn wir die Leistungsfähigkeit der Schülerinnen und Schüler verbessern wollen, müssen wir
bereits in den Kitas ansetzen. Hier können wir Defizite ausgleichen und die Grundlagen für passgenaue Bildungsbiografien
legen“, so Eisenmann.
Seit Herbst des vergangenen Jahres führt das Kultusministerium Gespräche mit den kommunalen Landesverbänden, den freien
Trägern und der Kindertagespflege, mit dem Ziel, die frühkindliche Bildung und Betreuung sowohl qualitativ als auch quantitativ
zu verbessern. „Wir haben jetzt eine grundsätzliche Verständigung über die einzelnen Punkte unseres Konzepts erzielt.
Mit diesem positiven Ergebnis werden wir nach der Sommerpause in die Detailverhandlungen gehen“, so Eisenmann. Das finanzielle
Gesamtvolumen des Pakts für gute Bildung und Betreuung soll rund 80 Millionen Euro umfassen.
„Forum frühkindliche Bildung“ soll Stellenwert auch institutionell abbilden
Teil des Konzepts des Kultusministeriums ist die Errichtung einer eigenen Einrichtung für die frühkindliche Bildung – das
„Forum frühkindliche Bildung“. „Wir wollen den Stellenwert der frühkindlichen Bildung auch nach außen hin
sichtbar machen und dafür auch zusätzliches Personal einsetzen“, sagt Ministerin Eisenmann. Zentrale Aufgaben des Forums
werden die Beratung und Begleitung der Träger sowie die Weiterentwicklung und Sicherung der Qualitätsentwicklung nach
landesweiten Standards sein. Dies soll in enger Abstimmung mit dem Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung und dem Institut
für Bildungsanalysen erfolgen. „Wie im Schulbereich müssen wir uns auch in der frühkindlichen Bildung stärker an
wissenschaftlich fundierten Standards orientieren“, so Eisenmann. Auch der wissenschaftliche Beirat, der das Ministerium bei der
Qualitätsentwicklung des Schulsystems begleitet, spricht sich für stärkere Verbindlichkeiten und eine Systematisierung in
der frühkindlichen Bildung aus.
Das Konzept beinhaltet außerdem die folgenden sechs Punkte: eine Ausbildungsoffensive für Fachkräfte, eine stärkere
Unterstützung in der Inklusion, eine qualifizierte Sprachförderung, eine Weiterentwicklung der Kooperation Kindergarten -
Grundschule, eine Stärkung der Kindertagespflege sowie eine Evaluation des Orientierungsplans.
Kita-Leitungen brauchen Zeit
Über den Pakt hinaus beabsichtigt das Land, erstmalig in die Förderung der Leitungszeit in Kindertageseinrichtungen einzusteigen.
Die Verhandlungspartner sind sich darüber einig, dass das Land sich beim Bund dafür einsetzen wird, zur Finanzierung der
Leitungszeit die für qualitative Maßnahmen in Aussicht gestellten Bundesmittel des Gute-Kita-Gesetzes einzusetzen. „Die
Leitung einer Kindertageseinrichtung ist eine komplexe und anspruchsvolle Aufgabe. Die Leiterinnen und Leiter managen die Kita, führen
das Personal und sind verantwortlich für Fördermaßnahmen, die Qualität und das Budget. Diese Aufgaben können sie
nicht nebenher erledigen, sondern dafür brauchen sie Zeit“, betont Eisenmann.
Offensive für gut ausgebildete Fachkräfte
Mit dem Modell der praxisintegrierten Ausbildung (PIA) zählt Baden-Württemberg in der frühkindlichen Bildung zu den
Vorreitern in Deutschland. „Dieses Ausbildungsmodell ist der Schlüssel dafür, den steigenden Personalbedarf in den Kitas
erfüllen zu können. Doch nicht alle Bewerberinnen und Bewerber können eine Erzieherausbildung beginnen, da nicht
genügend Ausbildungsplätze zur Verfügung stehen. Wir wollen deshalb gezielt Anreize für die Einrichtungsträger
schaffen, um zusätzliche Ausbildungsplätze zu gewinnen“, sagt Susanne Eisenmann. Für diese Ausbildungsoffensive sei
angedacht, die Zahl der Ausbildungsplätze für die praxisintegrierte Ausbildung (PIA) zunächst um ein Viertel zu erhöhen
und im Endausbau eine Verdopplung anzustreben und den Trägern für einen befristeten Zeitraum dafür eine Ausbildungspauschale
pro Platz und Monat in Höhe von 100 Euro zu zahlen. Darüber hinaus werde das Land die Anzahl der Klassen an den Fachschulen
deutlich erhöhen.
Zusätzliche Unterstützung für Kitas bei inklusiver Betreuung
„Inklusion fängt nicht erst in der Schule an. Der Inklusionsgedanke ist ein Grundprinzip in den Kitas. Um die Einrichtungen
stärker bei der Inklusion zu unterstützen, wollen wir mobile Fachdienste und Qualitätsbegleiter einsetzen“, so
Eisenmann. Diese sollen die Einrichtungen hinsichtlich ihrer inklusiven Konzeption und bei sonstigen Fragen beraten und unterstützen,
aber auch das Personal weiterqualifizieren. Die konzeptionellen Überlegungen sehen vor, dieses Unterstützungssystem in allen
Stadt- und Landkreisen einzurichten. Der Einstieg soll über eine Modellphase mit anschließender Evaluation erfolgen. Es gehe hier
nicht darum, Doppelstrukturen aufzubauen, sondern darum, eine sinnvolle Ergänzung zu erproben, so Eisenmann. „Teil des Pakts ist
außerdem unsere Zusage an die Träger, für inklusive Kinder künftig den doppelten Förderzuschuss zu gewähren.
Mit der so genannten Doppelzählung erfüllen wir eine langjährige Forderung der Trägerverbände“, sagt die
Ministerin.
Verlässliche sprachliche und elementare Förderung
Ein Schwerpunkt des Pakts ist die Sprachförderung in den Kindertageseinrichtungen. In den vergangenen Jahren wurde in den
Einschulungsuntersuchungen bei circa 30 Prozent der Kinder ein intensiver Sprachförderbedarf festgestellt. „Diese Kinder
brauchen eine gezielte sprachliche Anregung und verbindliche Förderung“, so die Ministerin. Sprachkompetenz und
Ausdrucksvermögen seien elementar für den Bildungserfolg aller Kinder. Das neue Konzept baut auf den bewährten Elementen des
Landesprogramms „Spatz“ (Sprachförderung in allen
Tageseinrichtungen für Kinder mit Zusatzbedarf) auf. Damit werden sowohl das Bildungsangebot „Singen-Bewegen-Sprechen“ (SBS),
als auch die „intensive Sprachförderung im Kindergarten“
(ISK) weitergeführt und finanziert. Darüber hinaus soll das neue Konzept auch die Entwicklungsbereiche der mathematischen
Vorläuferfähigkeiten, der Motorik sowie der
sozial-emotionalen Verhaltensweisen umfassen. Teil des Konzepts ist außerdem ein verbindliches Entwicklungsgespräch im Anschluss
an die Einschulungsuntersuchung, also circa ein Jahr vor der Einschulung. An diesem Gespräch sollen Eltern, Erzieherinnen und
Erzieher, die Schule und bei Bedarf Vertreter des Gesundheitsamts gemeinsam über Fördermaßnahmen beraten und eine auf die
individuellen Bedürfnisse des Kinds zugeschnittene Entscheidung bezüglich der Förderung treffen. Ebenfalls Teil des Pakts
ist die Qualifizierung von Sprachförderkräften.
Kooperation Kita - Grundschule erleichtert den Übergang in die Schule
Die koordinierte Zusammenarbeit zwischen der Kita und der Grundschule ermöglicht eine am individuellen Bedarf orientierte
Entwicklungsförderung der Kinder und damit einen guten Übergang in die Schule. Seit dem Schuljahr 2012/13 erhält jede
Grundschule dafür eine Lehrerwochenstunde. „Der Übergang von der Kita in die Schule hat eine immens hohe pädagogische
Bedeutung. Deshalb wollen wir die Zusammenarbeit intensivieren, indem wir den Kitas ebenfalls eine Stunde zur Verfügung
stellen“, sagt die Kultusministerin. Um mit den Lehrkräften der Grundschule noch enger zu kooperieren, soll jede Kita eine
Stunde zweckgebunden dafür erhalten. Dieser Schritt komme auch der Förderung im letzten Kindergartenjahr zugute und soll die
wertvolle Arbeit der Erzieherinnen und Erzieher gemeinsam mit den Grundschullehrkräften unterstützen.
Kindertagespflege finanziell und qualitativ stärken
„Die Kindertagespflege leistet einen unverzichtbaren Beitrag zur Sicherung der Kinderbetreuung. Eine finanzielle Stärkung der
Tagespflegepersonen ist deshalb aus gutem Grund Teil des Pakts“, sagt Kultusministerin Dr. Susanne Eisenmann. Das Land beabsichtigt
gemeinsam mit den kommunalen Landesverbänden den Stundensatz für Tagespflegepersonen bei der Betreuung von Kindern über drei
Jahren um einen Euro auf 5,50 Euro pro Kind zu erhöhen. Die Erhöhung soll je zur Hälfte von den Kommunen und vom Land
getragen werden. Im Bereich der Kinder unter drei Jahren beteiligt sich das Land bereits heute in erheblichem Umfang an den Kosten der
Kindertagespflege: 68 Prozent der Ausgaben pro Kind trägt das Land hier über den kommunalen Finanzausgleich. „Gleichzeitig
wollen wir auch die Kindertagespflege in die Qualitätsentwicklung der frühkindlichen Bildung einbeziehen und damit ihre
eigenständige Rolle stärken“, so Eisenmann. Deshalb sei geplant, die finanziellen Leistungen an konkrete
Qualitätsstandards zu knüpfen, wie beispielsweise an einen Nachweis der sprachlichen Kompetenzen der Tagespflegepersonen, sofern
kein deutscher Schulabschluss vorliegt. Des Weiteren ist geplant, die Qualifizierung weiterzuentwickeln.
Orientierungsplan ist Grundlage und Kompass
Grundlage und Kompass der pädagogischen Arbeit in Kindertageseinrichtungen ist der baden-württembergische Orientierungsplan. Als
ein Teil des Pakts für gute Bildung und Betreuung soll überprüft werden, inwieweit die Ziele und die einzelnen
Handlungsfelder umgesetzt werden und inwieweit der Orientierungsplan an die aktuellen Herausforderungen angepasst werden muss. Auch die
bereits dargestellten geplanten Maßnahmen, wie beispielsweise in der Inklusion, bei der Sprachförderung oder bei der Kooperation
Kita - Grundschule, sollen dabei in die Evaluation einbezogen werden.
„Die frühkindliche Bildung ist das Fundament für mehr Bildungsgerechtigkeit. Von ihrer Qualität hängen sowohl
individuelle Bildungserfolge als auch ökonomische Wachstumschancen ab. Sie ist damit eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und
Herausforderung. Ich freue mich deshalb, mit allen Verhandlungspartnern im Land die bisherige konstruktive Zusammenarbeit fortsetzen zu
können“, sagt Kultusministerin Eisenmann.
Zusätzliche
Informationen zum Pakt für gute Bildung und Betreuung